Symbol der Freiheit oder Opfer der Effizienz

Wie weiter

Die Zukunft des Bargelds in der Schweiz entscheidet sich nicht allein am Point-of-Sale – sondern in Verwaltungsräten, der SNB, den Regulierungsbehörden und den politischen Gremien. Der Wunsch der Bevölkerung nach Bargeldnutzung ist ungebrochen. Doch ohne einen strategisch abgestimmten Infrastrukturrahmen droht ein faktisches Ausbluten des Systems durch schleichende Dysfunktionalität.

Dass der Bargeldzahlungsverkehr erhebliche Kosten verursacht, hat die jüngste SNB-Studie deutlich gemacht. Diese Realität ist jedoch vielen nicht bewusst – denn Bargeld wird gesellschaftlich mit Verfügbarkeit und Einfachheit gleichgesetzt. In einer stabilen, sicheren und wirtschaftlich starken Schweiz gibt es gute Gründe, dem Bargeld weiterhin Sorge zu tragen – und gleichzeitig kluge Innovationen für dessen Zukunft zu gestalten.

Die Schweizerische Nationalbank hat in den letzten Jahren klar gezeigt, dass sie sich ihrer Verantwortung bewusst ist – etwa durch breit angelegte Umfragen, Studien und den strukturierten Dialog mit Vertretern des Bargeldmarkts. Auch wenn daraus noch keine umfassenden Lösungen hervorgegangen sind, hat die SNB wesentliche Prinzipien formuliert, an denen sich die zukünftige Bargeldversorgung orientieren muss: Verfügbarkeit, Akzeptanz, Kosteneffizienz und Robustheit. Bei allfälligen neuen Lösungen wird die SNB wohl auch Bereitschaft zeigen, intern neue Prozesslösungen anzugehen.

Ein zukunftsfähiges System muss das gesamte Ökosystem Bargeld in seiner Wechselwirkung betrachten – von der Bargeldversorgung über Point-of-Sale bis zur Rückführung überschüssiger Bestände. Besonders in einem Umfeld rückläufiger Nutzung bleibt Skalierbarkeit ein entscheidender Erfolgsfaktor: Das System muss auch mit sinkendem Volumen zuverlässig und wirtschaftlich tragfähig bleiben.

Bargeld unter Druck: Zwischen Infrastrukturkrise und gesellschaftlichem Anspruch

„(Bar)geld ist geprägte Freiheit.“ Dieses oft zitierte Bonmot von Fjodor Dostojewski trifft in der Schweiz nach wie vor den Nerv der Zeit: Laut Umfrage der Schweizerischen Nationalbank (SNB) 2024 bleibt Bargeld das meistakzeptierte Zahlungsmittel. Doch trotz dieser hohen gesellschaftlichen Verankerung steht das Bargeldsystem unter massivem strukturellem Druck – wirtschaftlich, logistisch und zunehmend auch politisch.

Der Rückzug von Bankfilialen in den ländlichen Gebieten, steigende Kosten der Bargeldlogistik sowie die eingeschränkte Verfügbarkeit von Dienstleistungen für Unternehmen lassen eine zentrale Frage aufkommen: Wie zukunftsfähig ist das Bargeld in einem System, das infrastrukturell und ökonomisch immer anspruchsvoller wird – bei gleichzeitigem politischem und gesellschaftlichem Willen, daran festzuhalten.

Politische Aktualität: Wenn Vertrauen zur Initiative wird

Die Politik befasst sich aktiv mit der Bargeldfrage – jüngst über die eidgenössische Volksinitiative «Ja zu einer unabhängigen, freien Schweizer Währung mit Münzen oder Banknoten (Bargeld ist Freiheit)», die den Zugang zu Bargeld und dessen gesetzliche Verankerung in der Bundesverfassung fordert. Hintergrund ist das wachsende Misstrauen gegenüber einer schleichenden Bedeutungslosigkeit von Bargeld – nicht durch gesetzliche Verbote, sondern durch infrastrukturelle Verknappung. Die Initianten proklamieren das Recht, Bargeld zu nutzen, als wichtigen Aspekt der persönlichen Freiheit.

Gleichzeitig hat die SNB mit ihrer umfassenden Umfrage zur Bargeldversorgung und -akzeptanz die Perspektive der Unternehmen eingeholt. Die Rückmeldungen sind eindeutig: Viele Betriebe, insbesondere im öffentlichen Verkehr, planen die Annahme von Bargeld einzuschränken. Genannt werden vor allem Kosten und Aufwand sowie reduzierte Serviceangebote für die Verarbeitung des überschüssigen Bargelds.

Die SNB selbst spricht von einem koordinierten Handlungsbedarf aller Marktteilnehmer – darunter Banken, Post, Finanzdienstleister, Werttransportunternehmen und Bargeldverarbeiter – damit eine flächendeckende, effiziente und wirtschaftlich tragfähige Bargeldversorgung sichergestellt werden kann.

Herausforderungen im gesamten Bargeldökosystem

Die Herausforderungen betreffen den Rückschub wie auch den Zugang zu Bargeld und somit das gesamte Bargeldökosystem. Für viele Unternehmen, Konsumentinnen und Konsumenten wird es zunehmend schwieriger, Bargeld effizient zu beziehen oder einzuzahlen. Die Reduktion von klassischen Bankschaltern, eingeschränkten Öffnungszeiten von Bankfilialen, der Abbau von Geldautomaten sowie die steigenden Kosten für Dienstleistungen rund um Bargeld schaffen strukturelle Hürden.

Ein zentrales Problem für Unternehmen, insbesondere im Detailhandel, öffentlichen Verkehr und Tourismus, ist der sogenannte Rückschub von Bargeld. Dabei handelt es sich um den Prozess, überschüssiges Bargeld, das am «Point of Sale» bspw. an Kassen von Geschäften, Restaurants oder ÖV eingenommen wurde, sicher und effizient in den allgemeinen Geldumlauf zurückzuführen.

Mit dem Rückgang der Bargeldnutzung sinkt damit auch die Frequenz der Bargeldeinzahlungen. Dabei bleiben die wenig variierbaren Kosten für den Bargeldtransport und die Sicherheitsmaßnahmen bestehen oder steigen sogar. Diese steigenden Transaktionskosten führen dazu, dass immer mehr Unternehmen die Annahme von Bargeld einschränken oder ganz darauf verzichten möchten, was einen Teufelskreis in Gang setzt: Weniger Bargeldakzeptanz führt zu geringerer Nutzung, was wiederum die Kosten pro Transaktion erhöht und weitere Unternehmen dazu veranlasst, Bargeld abzulehnen.

Die SNB-Umfrage zur Bargeldakzeptanz bei Unternehmen aus dem Jahr 2024 bestätigt diesen Trend. Viele Betriebe, insbesondere im öffentlichen Verkehr oder Restaurants planen, die Annahme von Bargeld einzuschränken, wobei als Hauptgründe die hohen Kosten und der Aufwand für den Rückschub überschüssigen Bargelds genannt werden. Gleichzeitig weist die SNB in ihrer «Economic Note» vom März 2025 darauf hin, dass auch die Sicherstellung eines flächendeckenden Zugangs zu Bargeld erhebliche Kosten verursacht – zwischen 640 und 880 Millionen Franken jährlich. Dennoch ist dieser Zugang ein zentrales Element, um die Bargeldakzeptanz langfristig zu sichern.

Ansätze zur Stabilisierung des Bargeldsystems

Um die Herausforderungen im Bargeldkreislauf zu lösen, sind koordinierte Massnahmen aller Beteiligten erforderlich. Mögliche Ansätze umfassen:

Optimierung der Bargeldlogistik durch den Einsatz digitaler Technologien und neugestalteten Prozessen damit Transportwege effizienter gestaltet und Sicherheitsstandards erhöht werden.

Kooperation zwischen Unternehmen und/oder Finanzdienstleistern, um gemeinsame Lösungen für das gesamte Ökosystem Bargeld zu entwickeln.

Gesetzliche Rahmenbedingungen schaffen, um den Zugang zu Bargelddienstleistungen sicherzustellen und die Infrastruktur langfristig zu erhalten.

These

Bargeld ist eminent wichtig für die Gesellschaft und darf nicht der digitalen Welt überlassen werden. Diese These mutet erstmal seltsam in der Formulierung an. Die digitale Welt bietet bereits heute und wird es auch in Zukunft, schier unlimitierte Möglichkeiten, stellt jedoch die Wechselwirkungen des täglichen gesellschaftlichen Handelns in den Hintergrund. Die Frage, ob wir künftig noch Bargeld brauchen, ist auch eine gesellschaftliche und gesellschaftspolitische Frage. Für die verschiedensten Interaktionen und Sicherheiten des täglichen Lebens bedeutet Bargeld ein sicheres Fundament. Dieses Fundament muss neu gedacht und organisiert werden. Es braucht neue praktische Lösungen, um der Gesellschaft auch zukünftig Bargeld zur Verfügung stellen zu können. Dieses Thema müssen wir heute angehen. Es besteht das Risiko, dass trotz den Willensäusserungen der Politik und der SNB die Verfügbarkeit von Bargeld schwieriger wird, was wiederum zum schleichenden Verschwinden von Bargeld und dessen Bedeutung führen könnte.